Fragt die Jugendlichen, wie sie die Pandemie meistern wollen

„Die Corona-Pandemie hat mir wertvolle Zeit genommen. Mir kommt es so vor, als wäre 2020 ein Jahr der Zeitverschwendung, eine Freistunde in der Schule, bei der nichts getan wird, außer nur auf den Gong zu warten, so dass die Stunde endlich zu Ende geht. (…)“

So äußert sich eine 16-Jährige in einem Video bei der Online-Pressekonferenz des Bayerischen Jugendrings (BJR) und der Landesarbeitsgemeinschaft der Jugendsozialarbeit.

„Jugendliche fühlen sich in der Pandemie nicht wahrgenommen und wollen mitreden, wenn beispielsweise Ferien gestrichen werden“, sagt Wolfgang Schröer, Professor für Sozial- und Organisationspädagogik an der Universität Hildesheim. Die jungen Menschen fühlen sich gegenwärtig nicht durch die Politik gehört und erreicht. Sie fühlen sich in ihren Lebenslagen, mit ihren Leistungen und Sorgen nicht wahrgenommen. „Die Politik müsse jetzt auf die Jugendlichen zugehen und mit ihnen gemeinsam nach Wegen suchen, wie sie die Pandemie gut meistern können“, fordert der Professor. Und bittet: „Sprecht nicht von der Generation Corona, sondern gestaltet mit den jungen Menschen die Bedingungen, dass sie die Folgen von Corona selbst meistern können.“

Professor Schröer verwies auf eine bundesweit angelegte Studie seines Instituts, wonach lediglich acht Prozent der Jugendlichen sagen, sie würden von der Politik gehört. Über 45 Prozent der Befragten hätten Ende 2020 angegeben, sie fühlten sich psychisch belastet und hätten Zukunftsängste.

Wir brauchen Öffnungsstrategien

Jugendliche sind nicht nur Abiturienten oder Schüler_innen, da sind sich die Protagonisten der Pressekonferenz einig. Es sind Schulkinder, Auszubildende, Studierende, Jugendliche im Freiwilligendienst, alleinlebende junge Menschen etc. Klaus Umbach, von der Evangelischen Jugendsozialarbeit Bayern, berichtet, wie die Corona-Krise vielen jungen Menschen ihre Zukunftspläne durchkreuzt oder erschwert hat. Lehrstellen seien unsicher geworden und Praktikumsplätze entfielen praktisch komplett. „Für junge Menschen in besonderen Lebenslagen gibt es kaum öffentliche Aufmerksamkeit“, sagt Klaus Umbach. Am Übergang Schule – Beruf brauchen wir zusätzliche Hilfen für junge Menschen, fordert er, und: „Wir brauchen dringend Öffnungsstrategien für die Jugend- und Jugendsozialarbeit.“

„Viele Erfahrungen wie Gruppen- und Klassenfahrten, Freizeiten oder ein Auslandsjahr sind für die betroffene Generation unwiederbringlich verloren“, sagt Matthias Fack, Präsident des BJR. „Kinder und Jugendliche sind keine Objekte, die Schulen oder Kitas besuchen und dort betreut werden müssen.“ Er fordert die Politik dazu auf, dass sie als Menschen mit eigenständigen Bedürfnissen und Wünschen wahrgenommen werden. Die Mehrheit junger Menschen hat sich in der Corona-Pandemie solidarisch gezeigt und sich entgegen einer falschen öffentlichen Wahrnehmung an die Regeln gehalten. „Wir müssen jetzt jugendpolitisch agieren und die jungen Menschen ansprechen! Sie warten darauf, dass mit ihnen der Weg mit und aus der Pandemie gestaltet wird.“

Jugendgipfel oder Tal

Rund um Corona gibt es viele Gipfel. „Es wäre ein wichtiges Signal, wenn es nach Impf- und Schulgipfel auch einen Jugendgipfel gibt“, fordert der BJR-Präsident. Allerdings ist er der Meinung, dass wir eher von einem Tal sprechen sollten, damit sich Politiker_innen einfach mal hinabbegeben zu den Jugendlichen. Im Zuge der Öffnungsstrategie sollte auch über eine Priorisierung von Pädagog_innen bei den Corona-Impfungen nachgedacht werden. „Sozialarbeiter_innen sollten mitgedacht und gleichberechtigt berücksichtigt werden.“

Macht mit: #hörtaufdiejugend

Um die Anliegen der Jugend deutlich zu machen und dafür eine Plattform zu bieten, startet der BJR unter dem Hashtag „#hörtaufdiejugend“ eine Kampagne in den sozialen Medien. Jugendliche und Jugendorganisationen werden dazu aufgerufen, Beiträge oder Videos mit ihren Wünschen, Forderungen oder Herzensanliegen zu posten.

Christina Frey-Scholz