Inklusion ist ein Menschenrecht!

„Es ist normal, verschieden zu sein!“ Mit diesem Satz bei der Eröffnung der Tagung der Bundesarbeitsgemeinschaft „Hilfe für Behinderte“ brachte Altbundespräsident Richard von Weizsäcker schon im Jahr 1993 das auf den Punkt, was der Inklusionsgedanke umfasst.

Für uns als Aktive in der Jugendarbeit erscheint das wahrscheinlich als selbstverständlich. Schließlich ist es unsere Aufgabe, allen jungen Menschen Angebote zur Entfaltung ihrer Persönlichkeit zu bieten und Eigenverantwortung zu fördern. Der Auftrag, für alle jungen Menschen Angebote zu schaffen, stellt die Jugendarbeit vor neue Herausforderungen, die es anzugehen gilt.

Die große Herausforderung auf dem Weg zur Inklusion besteht darin, Barrieren abzubauen und die Zugänglichkeit der Angebote für alle jungen Menschen sicherzustellen. Dies ist mehr als ein frommer Wunsch, sondern ein Recht, das sich auch im gesetzlichen Auftrag der Jugendarbeit (§11 SGB VIII) wiederfindet. Inklusion ist mehr als die Eingliederung von vermeintlichen Minderheiten in eine bestehende Gesellschaft. Sie ermöglicht auf der Grundlage der UN-Behindertenrechtskonvention die uneingeschränkte, selbstbestimmte Teilhabe an der Gesellschaft. Inklusion ist also ein Menschenrecht und es liegt an uns, Wege zu finden, die Teilhabe aller Menschen mit und ohne Behinderung sicherzustellen. Wichtig ist dabei, dass der Inklusionsgedanke nicht nur Menschen mit Behinderungen in den Blick nimmt, sondern alle Menschen anspricht. Vorstellungen von angeblicher Normalität stellt der Inklusionsdiskurs nicht nur in Frage, sondern lehnt diese komplett ab.

Eine Frage der Haltung

Dieser Auftrag der Teilhabe aller an Jugendarbeit ist überhaupt kein Grund, warum es uns Angst und Bange werden müsste, sondern ein Appell, mutig zu sein und sich (noch mehr) für neue Wege zu öffnen. Inklusion ist eine Frage der Haltung und führt nur dann zum Erfolg, wenn sie von allen Beteiligten gewollt ist und sich alle an dieser bahnbrechenden Veränderung beteiligen. Dabei steht fest, der Weg hin zur Inklusion ist ein Prozess, der nie komplett abgeschlossen sein kann. Vielmehr lebt er von permanenten Weiterentwicklungen und Veränderungen. Folglich wird sich nirgendwo eine abschließende Checkliste finden, wie Inklusion erreicht werden kann. Dafür braucht es Zeit, Ressourcen und Möglichkeiten zum Austausch. Inklusive Strukturen zu schaffen geht nicht komplett allein, das erfordert auch immer Netzwerke, damit  Angebote für neue Zielgruppen geöffnet und diese auch erreicht werden. Netzwerke aufzubauen ist nicht immer leicht, erfordert Überzeugungsstärke und Zeit, aber es lohnt sich, hartnäckig und standhaft zu bleiben. Hier ist es wichtig, mit den neuen Adressat:innen selbst den Kontakt zu suchen. Sie sind Expert:innen in eigener Sache und wissen selbst am allerbesten, was sie brauchen, damit sie mitmachen können.

Durch den direkten Kontakt gelingt es leicht, Berührungsängste abzubauen und so gegenseitige Anknüpfungspunkte zu finden.

Hier ein paar Grundsätze auf dem Weg zur Inklusion:

• Inklusion regt ein Umdenken an und lädt ein, neue Wege zu gehen.

•  Inklusion ist nicht kostenneutral, kostet Geld und erfordert personelle Ressourcen.

• Barrierefreie Zugänglichkeit zur Veranstaltung ermöglichen: Können auch Menschen mit Sinnesbeeinträchtigung teilhaben? Ist die Sprache verständlich? Können es sich alle finanziell leisten, daran teilzunehmen?

Wichtig: Es geht dabei nicht darum, alles perfekt zu machen. Das kann niemand und das wird auch von niemandem erwartet. Im Gegenteil, Streben nach Perfektion kann hinderlich sein und dafür sorgen, dass sich Menschen, aus Angst etwas falsch zu machen, gar nicht erst daran trauen. Der größte mögliche Fehler ist, sich dem Thema Inklusion nicht anzunehmen.

Sehr erfreulich ist, dass das Thema Inklusion die Aktiven in der Jugendarbeit in Bayern herumtreibt und sich immer mehr Organisationen auf den Weg hin zur Inklusion begeben.

Es gibt in Bayern viele tolle Beispiele zum Thema Inklusion in der Jugendarbeit. Besonders hervorzuheben sind die internationalen Jugendzirkustage Chapoclac vom Bezirksjugendring Oberbayern, der gemeinsam mit dem italienischen Zirkusverein Animativa eine inklusive Zirkusfreizeit am Walchensee anbietet.

Der Bayerische Jugendring setzt sich schon seit vielen Jahren für die Inklusion in der Jugendarbeit ein. Er betreibt Netzwerkarbeit und berät Jugendringe und Jugendverbände zum Thema Inklusion.

Also: Seid mutig, offen und findet kreative Wege und traut Euch!

Daniela Rotella und Nico Wunderle
Referent:innen für Inklusion beim Bayerischen Jugendring und Projektkoordinator:innen des Projektes „Inklusion – geht klar!“