Bonhoeffer-Jugendtreffen: Fishbowl-Talk mit Landesbischof Christian Kopp und Anna-Nicole Heinrich, Präses der Synode der EKD, über Wahrheit, Propaganda und die Rolle der Kirchen
Flossenbürg/Nürnberg, 05.04.2025. Wahrheit, Desinformation und die Stärkung der Demokratie standen im Zentrum eines offenen Fishbowl-Talks während des Jugendtreffens „grenzenlos hoffen - mutig handeln“ in Flossenbürg. Rund 30 junge Menschen diskutierten am Samstag unter dem Bonhoeffer-Zitat „Dummheit ist ein gefährlicherer Feind des Guten als Bosheit" mit prominenten Kirchenvertreter:innen. Dabei stellten sich Anna-Nicole Heinrich, Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und Christian Kopp, Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB) den Fragen der Teilnehmenden.
Die Diskussion beleuchtete aktuelle Herausforderungen für die demokratische Kultur: Fake News, Populismus und ideologische Polarisierung – sowie die besondere Verantwortung von Christ:innen im öffentlichen Diskurs. Angesichts von Echokammern, hasserfüllten Kommentarspalten und manipulativen Algorithmen war der Tenor eindeutig: Es braucht mehr Räume für offenen, informierten und kritischen Austausch – verbunden mit einer klaren Haltung.
„Dummheit macht Menschen verführbar, Bonhoeffer und weitere Widerstandskämpfer haben das früh erkannt. Leider ist das genau das aber erschreckend aktuell: wir erleben zur Zeit in unangemessener Weise in den USA, wie Wahrheit gebogen und gelenkt wird. Das widerspricht Bonhoeffers Gedanken zutiefst, letztlich hat er immer das Weite gesucht und war alles, aber mit Sicherheit kein Hero, zu dem er gerade häufig gemacht wird“, sagte Landesbischof Christian Kopp. Er unterstreicht die Bedeutung Bonhoeffers für Wachsamkeit und Zivilcourage in gesellschaftlichen Spannungszeiten. Deswegen seien Veranstaltungen wie dieses Wochenende wichtig. „Hier beim Jugendtreffen werden junge Menschen nicht bewertet. Sie sind angenommen, wie sie sind und lernen, mit Argumenten statt mit Parolen zu streiten. Ich wünsche mir für unsere Kirche, dass sie sich daran ein Beispiel nimmt und noch mehr dieser Räume ermöglicht. Denn Demokratie lebt nicht nur vom Wissen, sondern vom Mut zur Haltung.“
Anna-Nicole Heinrich ergänzte: „Wahrheit ist immer unbequem. Aber sie ist der Kompass für demokratisches Miteinander – und für unseren Glauben. Gerade deshalb müssen Kirchen laut sein, wenn andere schweigen. Wir müssen raus gehen, bei den Leuten sein und zuhören.“ Die Präses der EKD-Synode betonte, dass besonders Bonhoeffer ein Vorbild für die junge Generation sein könne: „Er war jung, klug, unbequem – und zutiefst glaubwürdig. In einer Zeit, als viele weg geschaut haben, hat er Verantwortung übernommen. Genau das macht ihn auch heute zu einem Vorbild für junge Menschen: Weil er zeigt, dass Glaube keine Privatsache ist, sondern Mut machen kann, für andere einzustehen.“
EJB-Vorsitzender Malte Scholz unterstrich den besonderen Wert der Jugendveranstaltung: „Was hier in Flossenbürg passiert, ist widerstandsfähige Demokratie in Echtzeit. Besonders wichtig ist für mich der ökumenische und internationale Charakter dieser Begegnungen. So wie Bonhoeffer, der selbst Brückenbauer zwischen den Kirchen war, wollen wir gemeinsam aktiv werden: gegen Hass, für Gerechtigkeit und für ein friedliches Miteinander.“ Deswegen freue er sich auch über die jungen Menschen aus Polen, Schweden, Ungarn und dem Heiligen Land/Westjordanland: „In den Workshops sprechen wir über Hoffnung, lesen Bonhoeffer-Texte, spielen Theater und beten zusammen. Da geschieht etwas Tiefes: Verständnis wächst – und Vorurteile fallen weg. Das ist in unserer Zeit so entscheidend.“
Gerade in einer Zeit, in der Wahrheit oft zur Verhandlungsmasse wird und Desinformation demokratische Prozesse untergräbt, bleibt Bonhoeffers Mahnung für die Evangelische Jugend höchst aktuell. Das Jugendtreffen in Flossenbürg demonstriert eindrucksvoll: Junge Menschen sind bereit, Verantwortung zu übernehmen – mutig, kritisch und solidarisch. Die Auseinandersetzung mit Geschichte und Gegenwart macht deutlich, die Wahrheit zu erkennen und zu vertreten, will gelernt sein. Und wo junge Menschen sich diesem Lernen widmen, wächst Hoffnung – grenzenlos und mutig.
Hintergrund zum Jugendtreffen
Das Jugendtreffen von Freitag, 4. bis Sonntag, 6. April 2025 und die internationale Jugendbegegnung bilden den Auftakt einer mehrteiligen Veranstaltungswoche. Rund 250 junge Menschen aus 15 Gemeinden und Dekanaten sowie weiteren Partnerkirchen nehmen daran teil. Das vielseitige Jugendprogramm umfasst kreative, spirituelle und politische Zugänge: am Wochenende sind noch eine Lasershow zu Bonhoeffer-Texten, eine Nachtandacht mit visuellen Stationen und eine Luftballon-Aktion „Träume für die Zukunft“ geplant. Den Abschluss bildet ein Fernsehgottesdienst vom Gelände der KZ-Gedenkstätte, der vom Bayerischen Rundfunk live aus einem Zelt übertragen wird sowie ein Gespräch mit Historikerin Valerie Riedesel, Enkelin des Widerstandskämpfers Cäsar von Hofacker.
Geschichte der Jugendtreffen
Die Evangelische Jugend in Bayern (EJB) engagiert sich seit Jahrzehnten in der historisch-politischen Bildung – nicht, weil es zur Tradition gehört, sondern weil sie überzeugt ist: Erinnern und Gedenken braucht Begegnungen. Bereits in den 1980er Jahren begannen die ersten Jugendbegegnungen an Gedenkorten wie Flossenbürg und Dachau – als Räume, in denen junge Menschen sich mit der Geschichte auseinandersetzen, aber auch mit der Frage, wie sie selbst Verantwortung übernehmen können. Nach dem letzten großen Jugendtreffen 2015 in Flossenbürg und einer pandemiebedingten Pause 2020 ist die Veranstaltung nun mit neuer Energie zurückgekehrt.
Weitere Infos
- Programminfos zum Jugendtreffen: www.ejb.de/bonhoeffer2025
- Infos zum Gottesdienst im Bayerischen Rundfunk
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