So viel Kreativität und Einfallsreichtum

„Yo, läuft“ ist eine meiner üblichen Antworten auf die Frage, „Wie geht es Dir?“ Käme ich aus Franken, würde ich vermutlich sagen „Passt schon“. Aber was genau läuft denn eigentlich?

Meine Streamingdienste, die laufen gut. Fast täglich verbringe ich mehrere Stunden in den fiktiven Wirklichkeiten von Vikings, Grey´s Anatomy, American Gods, Bridgerton und vielen mehr. Was auch sonst tun? Allein, an einem gewöhnlichen Abend in einer Stadt, in der ich neu bin und noch Niemanden kenne? Was soll da schon gehen? Ab und zu gibt es einen digitalen Spieleabend mit Freunden, ein Telefonat mit der Familie, Kochen mit den Mitbewohnerinnen oder mal ein Buch lesen und zeitweise sogar sehr euphorisches Stricken. Aber nach mittlerweile mehreren Monaten #wirbleibenzuhause geht die Motivation für alle diese Dinge immer öfter flöten.

Also, wenn ich ehrlich bin, läuft bei mir in diesen Zeiten gefühlt nicht wirklich viel.

Der Einsicht folgend, dass mein Leben mit Mitte 20 nun wirklich nicht nur aus Netflix schauen bestehen kann, versuche ich immer wieder neue Projekte zu starten: Joggen und Übungen auf der Isomatte, angetrieben von einer viel zu fröhlichen jungen Frau auf Youtube (so sieht ja wohl kein gewöhnlicher Mensch beim Sport aus!) und super gesundes selbstgebackenes Brot sollen es nun richten. Da das mit der psychischen Gesundheit gerade gar nicht so einfach ist, konzentriere ich mich auf mein körperliches Wohl. Ein gesunder Geist wohnt ja bekanntermaßen in einem gesunden Körper. Und so sage ich mir öfter auch mal vor dem Spiegel, außer Atem und mit hochrotem Kopf: „Na siehste, geht doch.“

Doch das Hoch, das die körperliche Bewegung verursacht, ist nicht immer von Dauer. Bei der täglichen Aussicht auf viele Stunden Vorlesungen und Seminare vor dem Laptop – wahrscheinlich noch mit einer schlechten Verbindung – geht die gute Laune schnell wieder verloren. Und so wird die Versuchung, mich mal wieder in die fiktiven Welten diverser Serienfiguren zu stürzen, minütlich größer. Was ich jetzt dringend bräuchte, wäre ein leichter Tritt in den Hintern und dann eine feste Umarmung.

Mein ehemaliger Mitbewohner hatte das ziemlich gut drauf. Aber der ist halt nicht da, und so schaue ich in den Spiegel und sage mir: „Reiß dich zusammen.“ Denn letztendlich habe ich doch nicht wirklich viel, über das ich mich beschweren könnte. Und im Großen und Ganzen läufts ja auch.

Allen Einschränkungen zum Trotz, da geht was!

Zu meiner täglichen Routine gehört auch, bei Instagram zu schauen, was bei den anderen so geht. Wenn ich dann durch alle Storys durch bin und mir immer noch die Motivation fehlt, das zu tun, was eigentlich getan werden müsste, wechsle ich den Insta-Account und sehe nach, was  bei der ejbayern so geht. Hier begegnet mir dann völlig unerwartet die eigentliche Bedeutung von „es läuft“. Die Beiträge und Storys sind voll von den vielen verschiedenen Aktionen der Jugenden in Bayern. Hier wird deutlich sichtbar, was – allen Einschränkungen zum Trotz – möglich ist. Bei so viel Kreativität und Einfallsreichtum geht mir das Herz auf. Da geht was. Da gibt es junge Menschen, die mit viel Liebe digitale Andachten feiern. Da wird Hilfe und Unterstützung für das anstrengende Homeschooling angeboten. Da werden Rezepte-Tipps geteilt und sich  für gemeinsame Zoom-Kaffee-Treffs ver­abredet. Da werden online neue Jugendleiter_innen ausgebildet und Fortbildungen für die Skills im digitalen Raum angeboten. Da erzählen Menschen davon, wie sie behütet durch diese anstrengende Zeit kommen. Da sind junge Menschen politisch aktiv und erheben ihre Stimmen. Da wird eine Quizshow mit verschiedenen Jugenden aus ganz Bayern organisiert. Da werden Bilder aus den letzten Jahren rausgekramt und aus der Erinnerung an tolle Freizeiten wird Hoffnung. Hoffnung darauf, dass wir uns wieder sehen und umarmen, gemeinsam singen und essen und bei Regen im Zelt eng an eng Werwolf spielen werden. Und ich merke: Hey, es läuft! Es läuft so viel!

Beeindruckt von diesen Bildern lichten sich meine trüben Gedanken und ich stelle fest, dass ich mich gar nicht in Serienwelten zu flüchten brauche. Auch meine Welt ist in Bewegung und wenn ich genau hinschaue, läuft da ganz schön viel.

Katrin Vogelmann
ist Vorsitzende der Landesjugendkammer und studiert im 10. Semester Theologie.