Von Seelenstaub und Seelenfunken

Die Frage „Wie geht’s“ hat in der Jugendarbeit eine besondere Bedeutung

Schicksalsschläge, Orientierungslosigkeit, Einsamkeit und andere schwierige Lebenslasten führen dazu, dass die Seele schmerzt. Dann ist es gut, wenn jemand da ist, mit dem man reden kann, der einem eine neue Perspektive schenkt und neuen Mut zuspricht.
Seelsorge in ihrer klassischen Form ist unbestreitbar ein wichtiger Auftrag innerhalb der Jugendarbeit. In meinem Artikel möchte ich mich mit Euch auf eine Reise begeben und dabei einen anderen Blick auf die Seelsorge werfen.

Wenn ich an Seelsorge denke, dann steigen in mir Worte auf, wie „Seel(en)sorge“, „Seelenschmeichler“, „Seelenstaub“. Das sind für mich Sehnsuchtswörter, die von der Weite der Seele zeugen, um die man sich sorgen muss.

Bei mir verknüpfen sich damit Bilder von Freizeiten und Konventen, von Momenten des gemeinsamen Lachens und Feierns. Dabei denke ich an Gemeinschaft, in der man sich als Mensch durch und durch angenommen fühlt und an Erlebnisse, die die eigene Seele streicheln.

Gleichzeitig kommt mir als Kontrastbild das amerikanische „How are you?“ in den Sinn, eine Begrüßungsfloskel und weniger eine ernst gemeinte Frage. Und auch hierzulande habe ich das Gefühl, dass eine ehrliche Antwort auf ein „Uuuund wie geht’s?“ nicht unbedingt gehört werden will.

Wir in der Jugendarbeit sind Seelenschmeichler.

In der Evangelischen Jugend erlebe ich das anders. Mich interessiert, was die Ehrenamtlichen bewegt, wie es ihnen WIRKLICH geht und umgekehrt erlebe ich das genauso. Die Gespräche und Begegnungen am Lagerfeuer auf dem Zeltplatz oder in der Mittagspause mit einer Tasse Kaffee in der Hand, das sind die Momente, die mir Seelen-Sorger sind, die mein Herz lachen lassen, die wie Sonnenstrahlen durch einen dunklen Morgen brechen und die Nase kitzeln.

Da wird mir klar, Seelsorge ist soviel mehr als ein Gespräch.

Wir in der Jugendarbeit sind uns oft gegenseitig Seelenschmeichler. Ein liebes Wort, ein Lächeln, das sagt, schön, dass du da bist, ein Kaffee am Morgen, nach einer langen Nacht am Lagerfeuer, das Gefühl, wirklich gesehen und wertgeschätzt zu werden – das brennt sich tief in unsere Seele ein und sorgt noch viele Jahre lang als „Seelenstaub“ für unsere Seele.

Zurzeit habe ich öfter das Gefühl, dass mir all das verwehrt wird, nachdem sich meine Seele so verzehrt.

Und gerade deshalb braucht es mehr Seel(en)sorge als bisher für uns selbst und für die Menschen um uns herum. Auch wenn es schön ist, die EJ-Leute zumindest online zu sehen, sind die vielen Video-Sitzungen anstrengend und die persönliche Verbindung nur schwer herzustellen. Vielleicht sind es nicht nur die coolen Aktionen, sondern die persönlichen Begegnungen, für die wir uns auch Zeit nehmen sollten, wie zum Beispiel Spaziergänge mit einzelnen Ehrenamtlichen.

Das viele Planen ins Ungewisse, immer wieder umplanen und absagen, das macht unsere Seele müde. Uns allen fällt es immer schwerer, die Motivation hoch zu halten. Deswegen finde ich, ist Seelen-Sorge wichtiger denn je, für sich selbst und für andere. Doch dann denke ich an die Seelenfunken in meinem Herzen und daran: Wie kann ich meinem Gegenüber gerade jetzt ein Lächeln in die Seele zaubern?

Lasst uns nach Möglichkeiten suchen, uns überraschen zu lassen und uns gleichzeitig zu freuen.

Auf die Lagerfeuerabende, die es wieder geben wird, wo nicht nur die Funken des Feuers durch die Luft stauben, sondern auch „Seelenstaub“ fliegen darf.

Ich wünsche mir, dass dieser „Seelenstaub“ auch durch unsere Computer fliegt und in so manchen Online-Begegnungen unsere Seele berührt. Dann sind wir tief im Herzen verbunden und nah dran an dem, was unserer Seele gut tut.

Dann wird Gottes Nähe spürbar und für unsere Seele ist gesorgt.

Kristin Albrecht
Dekanatsjugendreferentin Rosenheim