Was bedeutet für Dich Identität?

Im Gespräch mit einem ehrenamtlichen Afrodeutschen

Mathis ist 21 Jahre alt und als Ehrenamtlicher in der EJ Neu-Ulm zuhause. Zur Zeit lebt er in Augsburg. Über sich selbst sagt er: Ich bin Afrodeutscher, zur Hälfte aus Deutschland und zur Hälfte aus Nigeria.

Was ist Dein persönlicher Zugang zu dem Satz „Die Welt ist bunt.“?

Für mich bedeutet er die absolute Offenheit allen Menschen gegenüber. Bunt erinnert mich zuerst an die LGTBQ-Community und dann an die hautfarbenen Personen da draußen in der Welt. Aber auch an Menschen mit Behinderungen und Handicaps. Es geht um die Integration aller Menschen.

Kannst Du beschreiben, was Identität für Dich heißt, mit was „struggelst“ Du oder hast gestruggelt?

Da könnte ich fast meine ganze Lebensgeschichte auspacken. Kurz gefasst: Identität ist für mich die Zugehörigkeit zu einer Ethnie, zu einem Staat oder Land. Identität hat auch viel mit Religion oder anderen Glaubenssätzen zu tun.  Zu Beginn habe ich mich besonders mit der Diskriminierung schwarzer Menschen in Amerika, dem Rassismus in der amerikanischen sowie der deutschen Armee, bis hin zu den Kriegen in aller Welt auseinandergesetzt. So bin ich draufgekommen, mich mit Nigeria, dem Land meines Vaters, zu befassen.

Mit 14/15 Jahren hatte ich bereits erste Rassismus-Erfahrungen. So kam ich zu dem Entschluss, dass ich nach Nigeria will. Mit 18 war ich dann das erste Mal seitdem ich sechs war wieder in Nigeria. Vorher kannte ich viele meiner Familienmitglieder nur über Facetime, E-Mails, WhatsApp oder aus Erzählungen meiner Eltern. Ich habe immer schon starke Wurzeln dort gehabt, hatte aber nie die Chance, den Lifestyle dort zu erleben. Daher war es sehr eindrücklich, tatsächlich in Nigeria zu sein und selber das Leben dort zu leben.

Es war wie nach Hause kommen, zu dem Teil, zu dem ich schon immer gehört habe und der sehr tief in mir verankert ist, zu dem ich aber einen wesentlich schwächeren Bezug hatte. Ich bin zwar in Nigeria geboren, aber in Deutschland aufgewachsen.

Hast Du die Frage „Wo ist Familie?“ und „Wo ist zuhause?“ in deine EJ-Familie mitgenommen?

Auf jeden Fall! Meine besten Freunde kommen aus der Evangelischen Jugend. Viele haben mit mir schon sehr früh darüber gesprochen, andere einfach immer mal vorsichtig nachgefragt.

Als ich von Neu Ulm nach Augsburg gezogen bin, habe ich alle eingeladen und gesagt „Hey Leute, ich koche für Euch.“ Wenn man dann nigerianisch kocht und isst, kommen Fragen zum Essen bis hin zum Topthema Haare und Shampoo. Und: Bist du ganz deutsch oder irgendwie halb halb? Mich freut es, wenn die Leute sich trauen nachzufragen. So kommt man ins Gespräch.

Ich bin ein sehr offener Mensch, aber die tiefgründigen Gespräche führe ich nur mit Menschen, die ehrliches Interesse zeigen. Das sind halt die EJ-Leute, meine besten Freunde. Mit denen sind die Gespräche weitgehend, egal ob es um Identität, Sexualität oder sonst was geht.

Das Thema „Offenheit“ wird in der Evang. Jugend viel diskutiert. Gibt es etwas, wo Du denkst, da könnten wir doch mal ran?

In der EJ sind wir viel weiter als andere Vereine oder Gemeinschaften. Ich finde das Level schon sehr bewundernswert. Doch man kann nie aufhören, genug zu fragen und zu informieren. Auf keinen Fall sollten wir das Thema Rassismus oder Ausgrenzung abhaken.

Eine letzte Frage: Hast Du manchmal das Gefühl, Du bist der Quotenjugendliche People of Colour in der Evang. Jugend?

Ne, ich glaube nicht. Wir haben ja auch andere People of Colour in der EJ. Vielleicht liegt es daran, dass ich offen bin und gerne darüber spreche, weil ich froh bin, dass sich andere mit dem Thema beschäftigen. Ich besuche gerne andere Konvente oder bin auf Aktionstagen dabei. Und wenn es irgendwo heißt: „Kennt jemand einen Dunkelhäutigen?“ Dann heißt es: „Dunkelhäutig darf man nicht sagen, das sind People of Colour, aber ich kenne einen, den Mathis.“

Du würdest also eher sagen: Cool, dass die Leute das Gespräch suchen.
Auf jeden Fall.

Vielen Dank für das gute Gespräch.

Katrin Vogelmann
Vorsitzende der EJB