100 Jahre Hummel 100 - Ein Haus schreibt Geschichte

Nürnberg, 15. Juli 1914. Etwa zwei Wochen bevor der erste Weltkrieg ausbricht, wird im Nürnberger Stadtviertel Lichtenhof das Arndthaus - ein Wohnheim für Lehrlinge- eingeweiht. Bis heute ist der Hummelsteiner Weg 100 ein Ort für junge Menschen.

Wie eine Burg steht das wuchtige Gebäude in der Nürnberger Südstadt, das ungezählten Menschen Zuflucht, Heimstatt und Arbeit gegeben hat. Heute beherbergt das vierstöckige Haus neben einigen privaten Wohnungen verschiedene landeskirchliche Dienststellen: die Medienzentrale, Kirche in der Arbeitswelt (KDA), die Arbeitsstelle kokon (Konstruktive Konfliktbearbeitung), den Verband christlicher Pfadfinder/-innen sowie die Evangelische Jugend in Bayern mit dem Amt für Jugendarbeit – als wohl größte Dienststelle.

Das Arndthaus verdankt seine Entstehung dem königlichen Pfarrer Christoph Fikenscher (1869 – 1931). Inspiriert vom Evangelischen Bund, und die soziale Bedrohung junger Leute vor Augen, gründete er im Jahr 1912 den „Verein Lehrlings- und Gesellenheim“. Ziel war es, etwas gegen das Schlafstellenunwesen zu tun und alleinstehende junge Männer vor den Gefahren der Großstadt zu bewahren. Ernst Moritz Arndt (1769 -1860), Schriftsteller und Freiheitskämpfer, sollte der Jugend dabei Vorbild sein. Das Arndthaus, nach den Plänen des Architektenbüros Lampert errichtet, hatte den Unterlagen der Brandversicherung zur Folge, einen Wert von 474 000 Goldmark.

Das am 15. Juli 1914 eingeweihte Wohnheim war in weitem Umkreis fast konkurrenzlos. Speise-, Aufenthalts-, Leseräume, Küche und Anrichte im Erdgeschoß, Turnhalle im Souterrain, Zentralheizung sowie Wannen- und Brausebäder boten einen ziemlichen Komfort. Im dritten und vierten Stock fanden die Heimbewohner in 39 Zimmern mit 80 Betten ein Zuhause. Hochherrschaftliche Wohnungen mit wahren Zimmerfluchten waren zusätzlich in der ersten und zweiten Etage zu vermieten.

Vom Lazarett zum Jungmännerwohnheim

Doch die Pracht währte nicht lange. Mit Beginn des ersten Weltkrieges hatte der Verein großzügig und kostenfrei dem Roten Kreuz das Wohnheim als Lazarett überlassen. Man rechnete sowieso damit, dass ein paar Wochen später mit einem deutschen Sieg wieder Friede einkehre. Als dann 1919 die Pflegestätte nicht mehr notwendig war, hinterließ nicht nur die Finanzierung für das Gebäude eine große Lücke, auch das Inventar war größtenteils unbenutzbar geworden.

Noch kritischer wurde die Situation während der Inflationszeit. Das Jungmännerwohnheim musste mit dem dritten Stock vorlieb nehmen und die Gemeinschaftsräume im Hochparterre wurden an Geschäftsleute vermietet. Erst als Studienprofessor Konrad Höfler, damals Vorsitzender des Evangelischen Bundes, 1926 die Regie übernahm, ging es wieder aufwärts. Der Zweigverein Nürnberg vom Evang. Bund kaufte das „Arndthaus“ dank größerer Spenden und Darlehen seiner 5000 Mitglieder. Ein Jahr später konnte das Heim wieder über zwei Stockwerke verfügen und neue Ausstattung beschaffen.

Beinahe hätten 1934 die Nazis am Hummelsteiner Weg 100 Wurzeln geschlagen. Es begann ganz harmlos. Einige Pimpfe des Jungvolks baten darum, an einem Nachmittag in der Woche, in einem leerstehenden Raum im Parterre Singstunden ansetzen zu dürfen. Dieser Bitte wurde entsprochen. Schließlich gesellte sich am Abend noch Männer der SA dazu. Diese gaben sich in ihrem neuen Domizil recht bestimmend, bis eines Nachts das Zimmer in Brand geriet, weil sie glimmende Zigarettenkippen in einen Papierkorb warfen. Wandvertäfelung und Fußboden waren beschädigt und der Evangelische Bund nutze die Chance, die Nazis unter Anzeigendrohung wegen fahrlässiger Brandstiftung aus dem Haus zu weisen. Bald füllte die Hitlerjugend die Belegungslücke aus und man rechnete mit einer Übernahme des Wohnheims durch die NSDAP.

Schließlich interessierte sich der Landeskirchenrat für den Kauf des Arndthauses. Am 1. Oktober 1935 ging das Gebäude in den Besitz der Landeskirche über.

Mit Inkrafttreten der allgemeinen Wehrpflicht nahm die Heimbelegung immer mehr ab. Wieder wurde ein Stockwerk anderen Zwecken zugeführt: In der vierten Etage zog die Evangelisch-Soziale Frauenschule der Diakonissenanstalt Neuendettelsau ein. Die alten Einrichtungsgegenstände kamen ins Jugendheim Prackenfels bei Altdorf und auf die Jugendburg Wernfels. Das Wohnheim durfte sowieso behördlicherseits nicht mehr existieren.

Dann erlebte das Arndthaus seine schwerste Zeit. Fünfmal brachten die Kriegsereignisse Schäden für insgesamt 215 000 Reichsmark. Die Bombenangriffe vom 11. August 1943, 19. Oktober 1944, 2. Januar 1945 und 16. März 1945 auf Nürnbergs Altstadt sowie ein Artilleriebeschuss durch die Amerikaner in den allerletzten Kriegstagen zogen es arg in Mitleidenschaft. Dachstuhl, dritte und vierte Etage waren zerstört. Dennoch fanden Fliegergeschädigte und Obdachlose Unterschlupf in der Halbruine.

Nach der Kapitulation 1945 zog Landesjugendpfarrer Hans-Martin Helbich in den Hummelsteiner Weg in ein Zimmer im ersten Stock. 1946 wurde das Haus notdürftig geflickt und ein Notdach erstellt. 1950 entschloss sich die Kirchenleitung, das Gebäude zu renovieren. Dazu mussten sechs Notwohnungen aufgelöst und die Mieter durch das Evangelische Siedlungswerk untergebracht werden. 1952 wurde schließlich das Wohnheim mit 72 Betten unter der Regie des „Aufbauwerkes junger Christen“ wieder eröffnet. 1970 wurde es mit Beginn des Ruhestandes für den letzten Heimleiter endgültig aufgelöst.

Mittlerweile arbeiten im Arndthaus etwa 80 kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verschiedener Dienststellen. Die Geschichte der Evang. Jugend in Bayern ist eng mit dem Hummelsteiner Weg verbunden. Durchwegs war das politische Engagement und die Auseinandersetzung mit den jeweilig aktuellen gesellschaftlichen und christlichen Fragestellungen die Herausforderung, um die es in der Arbeit mit jungen Menschen geht. Die EJB erreicht heute etwa 154.000 Kinder und Jugendliche.

Christina Frey-Scholz
Öffentlichkeitsarbeit, 10. Juli 2014

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